Ich bin so unendlich müde. Und nein, das liegt nicht etwa daran, dass ich zuwenig geschlafen hätte, oder dass mich die Depression mal wieder fest im Griff hätte (obwohl sie zeitweilig spürbar war), oder dass ich mich vielleicht überarbeitet hätte (was auch schon vorgekommen ist). Ich bin es einfach leid, als Frau als Mensch zweiter Klasse, manchmal auch als gar kein Mensch, aufgefasst zu werden. Das ist, was mich unendlich müde macht.
In den medialen Diskussionen geht es um die Fähigkeiten von Frauen als Sportmoderatorinnen, um die Existenz oder Nichtexistenz und die Tragweite des Gender Pay Gaps, um Mitschuld an Vergewaltigungen, um Definitionen, wo sexualisierte Gewalt anfängt und aufhört. Es geht um die „Empörung“ von Feministinnen, die Notwendigkeit des Feminismus an sich (konservative und rechte Arschlöcher sprechen auch gerne mal von „Feminazis“). Um geschlossene Blusen, um zu sexy Outfits von Schülerinnen, um das Recht auf Information über Abtreibung und auf Abtreibung selbst. Um Holz vor der Hütte und Tugendfuror, um die „Vergewaltigung“ der ach so armen deutschen Sprache durch Sternchen und Binnen-Is. Um „not all men“, um Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Aber um alles das geht es mir gerade nicht, beziehungsweise bildet es allenfalls den gesamtgesellschaftlichen Rahmen meiner aktuellen Empfindungen. Die sind in der Hauptsache eine grenzenlose, heiße Wut und ein tiefer, erschütternder, verletztender, harter Schmerz.
Wenn Ihr, Frauenhasser, die Ihr Euch da draußen austobt, über (andere) Frauen sprecht, dann meint Ihr mich mit. Jedes Mal, wenn Ihr eine Frau zum Objekt deklariert, dann meint Ihr mich mit. Eure abgrundtiefe Verachtung für das „Fickmaterial“ meint mich mit, selbst wenn Ihr mich nicht kennt. Jedes „geile Chicks“ aus Eurem Mund macht mich zur Ware im Regal, aus dem Ihr, die Privilegierten, auswählen dürft (ganz gleich, ob ich als Ladenhüter in diesem Regal stehen bliebe oder nicht). Jede Bewertung, Kategorisierung, jedes „die Frau an sich“ oder „typisch Frau“ meint mich mit, ganz gleich, ob ich die genannte vermeintliche Norm erfülle oder nicht. Die Kennzeichnung als abweichend von einer Norm meint mich ebenfalls mit. Jeder dreckige Witz über Frauen und Kinder als Erfüllungsphantasie und Gegenstand männlicher Bedürfnisse meint mich mit. Jede Reduktion auf Körperteile meint mich mit. Jede mir zugesprochene Eigenschaft qua Geschlecht, jede mir zugewiesene Pflicht, jeder Wunsch, jede Funktion meint mich mit.
Als Mensch bin ich in diesem Geflecht nicht sichtbar, und das nicht ohne Grund. Aber Ihr vergesst, dass Euer Hass, den Ihr so dringend zur Selbsterhöhung, Selbstaufwertung, zur Sicherung von Stabilität, Pfründen und Privilegien benötigt, Kosten hat. Euer Hass geht auf meine Kosten. Ihr streift Eure Schuhe an mir als Frau ab, als sei ich verantwortlich für die Scheiße, in die Ihr getreten seid. Ihr entmenschlicht mich, denn nichts anderes ist die permanente Verdinglichung. Ich bin dabei nicht etwa das Objekt des Begehrens, sondern das Ding, das man benutzt. Es spielt keine Rolle, ob dieses Benutzen auf psychische oder auf physische Art stattfindet. Ihr wichst auf mich, weil es so simpel ist, zu hassen. Weil man mit Frauen immer noch jemanden hat, den man zwingen kann, vor einem zu knien. Dem man sich „natürlicherweise“ überlegen fühlen kann, dessen Persönlichkeit man nicht zu achten hat. Die „Weiber“ wollen es ja auch so, so redet Ihr es Euch ein, weil Ihr sonst Eure eigene Hässlichkeit ansehen müsstet.
Ich spüre das. Ich spüre es nicht täglich, aber permanent. Dieser Hass, diese Hässlichkeit ist ein dauerhafter Klangteppich unter meiner kompletten Existenz. Dass es Frauen gibt, die das bislang nicht gespürt haben und dass es Männer gibt, die es anders sehen, machen und leben, ändert nichts an diesem Webmuster. Es hilft, es lindert, aber es ändert nichts, weil all das zu fest verbunden ist mit der Welt, in der wir alle leben.
Ich weiß auch, dass meine Klage nichts daran ändert. Haters gonna hate – so heißt es doch. Ich schreibe das nicht, um Euch zu verändern. Ich schreibe das nicht, um Euch durch meine Verletzung und Verletzbarkeit zu berühren. Ich weiß genau, dass das manche nur noch mehr aufgeilen wird, weil es die Hierarchie verdeutlicht. Ich schreibe das, weil es heraus muss. Weil es um meine Wunde geht an dieser Stelle, und darum, dass Ihr diejenigen seid, die sie schlagt. Es ist nicht meine Empfindlichkeit. Es sind nicht irgendwelche verqueren, durch Feminismus oder „Gesinnungsdiktatur“ „versifften“, mich meiner wahren Natur entfremdenden Ideologien. Es ist nicht meine antiquierte Vorstellung von Prüderie oder Tugend, die mich zur Furie werden lässt. Es ist keine aufgesetzte Empörung. Es ist echte, schwere, schmerzliche Verletzung, die Ihr mir zufügt, jedesmal, wenn Ihr auf Frauen pisst.
Ich bin gerne eine Frau. Aber ich bin es zu meinen Bedingungen, nicht zu den Euren. Ich bin ich, nicht für Euch eine Frau. Ich bin es leid, es macht mich müde, wegen meines Frauseins gehasst, verachtet und benutzt zu werden. Es sind nicht die Strukturen, es ist nicht die Gesellschaft, Ihr als Menschen seid diejenigen, die Schmerzen zufügen und Gewalt ausüben und hassen. Ihr seid verantwortlich, für jeden Schlag, jedes Wort, jeden ungewollten Fick.
Ich glaube nicht an das Jüngste Gericht, ich glaube nicht einmal daran, dass Euch irgendwann einmal eine Erleuchtung trifft darüber, wie und wer Ihr seid. Aber täuscht Euch nicht, Ihr seid verantwortlich.